BEWEGT

Wir bewegen uns, wir bleiben stehen. Werden bewegt, werden angehalten. Atmen ein und aus. Kommen zur Ruhe, regen uns auf. Die Kehle schnürt sich zu, der Raum wird eng, wir ziehen uns zusammen. Bewegen uns in uns hinein. Bewegen uns weg aus der Situation, die uns den Atem raubt. Werden schnell, hektisch, panisch. Zitternde, kalte Hände greifen nach Halt und finden ihn letztendlich bei uns selbst. Dann, wenn wir uns fortbewegt haben von dieser Situation, die uns aufwühlt und uns rasen lässt. 

Ich bewegte mich immer weiter und weiter. War auf der Flucht vor etwas, doch jetzt ruhe ich. Ich rannte weg vor unangenehmen Situationen, vor Gefühlen, vor Missbrauch. Blicken, die mich nicht verstehen wollten. Worten, die mir das Herz brachen. Grenzüberschreitungen, die mich enthüllten, wenn ich am liebsten nur für mich gewesen wäre. Tief eingehüllt unter einer Schutzschicht, die niemand anderes durchbrechen kann. Die mir Sicherheit schenkt. 

Und so bewegte ich mich von einem Ort zum anderen. Werde in der U-Bahn innerlich dazu gezwungen, den Platz zu wechseln. Wechsle Straßenseiten, weil eine dunkle Gestalt in der Ferne mir an den Fersen klebt. Wollte mich bewegen, aber konnte nicht, weil Männergruppen mich einkesselten. Hätte mich früher bewegt, wenn ich gewusst hätte, dass eine Kamera mich beim duschen filmt. Wäre früher umgezogen, wenn ich gewusst hätte, dass es mir niemand glauben wird. Ich als das Opfer immer wieder diejenige sein werde, die sich wegbewegt. Und meine Bedrohung frei herumläuft. Die Freiheit hat, sich nach eigenem Willem zu bewegen. Nach Lust und Laune andere in die Flucht zu treiben. Sie haben eine Macht über mich, die ich beneide. Ich bringe sie in Bewegung, aber nicht weil sie Angst haben. Sie begehren, verzehren sich, nehmen, ohne zu fragen, geben nichts zurück, nur ein Gefühl, das mir vertraut ist. Das gewohnt ist, weil es sich immer wieder neu anfühlt, obwohl es gleich ist. Es gibt mir das Gefühl, in Not zu sein. Bis ich umkippe und endlich stillliege, statt durch die Panik zu rasen. 

Jetzt bin ich sicher. Der Schlüssel passt nur für mich alleine in die Tür, wo mein eigener Raum ist, in dem ich atmen kann. Meine Vorhänge schützen mich vor Blicken. Meine Wände vor Berührungen. Die Stille vor der aufsteigenden Angst vor etwas, das in der Ferne lauert. Ich gehe raus, wenn ich es will und komme zurück, wann es mir passt. Es kommt rein, wer darf und nicht wer kann. Draußen bin ich zwar nicht sicher, aber ich weiß, dass ich einen Ort habe, wo ich es bin. Wo ich für niemanden, außer mich selbst, nach vorne, unten und oben, Bewegungsraum habe.

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You can say no and if people don't respect it, drop them.

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Die U-Bahn in Berlin gegen 17:30